War dieses Buch schwerer zu schreiben als Ihre früheren?
Schwerer, ja – aber auch leichter. Viele meiner früheren Romane waren Science-Fiction-Romane oder Dystopien. Sie spielten in der Zukunft, in einer Welt, die man sich ausdenken und konstruieren musste. Diesmal beschloss ich, nicht nur einen realistischen, sondern einen ultra-realistischen Roman zu schreiben. Auch wenn vieles darin übertrieben erscheint – wie ein korrupter junger Polizist das Leben eines Studenten zerstören kann, indem er ihn ins Gefängnis sperrt, nur weil er ihn nicht leiden kann, oder wie hilflos ein normaler Mensch werden kann, wenn er jemandem aus dem System gegenübersteht, oder wie korrupt die russische Polizei und die Geheimdienste sind –, alles ist wahr, und aktive Agenten der Polizei und der Drogenfahndung haben mich beraten und darauf geachtet, dass in diesem Buch kein Quatsch steht. Ehemalige Strafgefangene haben den Roman ebenfalls gelesen. Ich musste also weniger erfinden und stattdessen mehr lernen.
Welchem Genre würden Sie TEXT zuordnen?
Für mich hat TEXT Bestandteile eines Techno-Thrillers: Es gibt Suspense und eine Analyse des Verhaltenswandels, den das Aufkommen der Smartphones hervorruft. Eine Krimi-Intrige gibt es auch: In den ersten Kapiteln geschieht nicht nur ein Mord, sondern der Protagonist muss auch noch im Leben einer anderen Person ermitteln und über deren Smartphone dunklen Geheimnissen und schattenhaften Connections auf die Spur kommen. Natürlich ist es zugleich ein Drama, und das sollte es auch sein. Aber es ist eben auch einfach ein russischer Roman – Russkij Roman –, wie er mir für das neue Jahrhundert angemessen erscheint.
Wer ist der eigentliche Held des Romans, Ilja oder das Telefon? Was war Ihre Intention in dieser Frage?
Das Telefon ist nur ein Medium, durch das Ilja mit der Seele Petjas kommuniziert, des jungen, korrupten Polizisten, der getötet wurde. Und je tiefer Ilja in den Speicher des Telefons eindringt, desto klarer und lebhafter erscheint Petjas Bild vor seinen Augen. Und durch diese Charakterstudie erfahren wir mehr und mehr über Ilja selbst. Ilja trägt die Maske Petjas, seines Antipoden, aber um in der Lage zu sein, so zu tun, als sei er diese andere Person, muss er sie wirklich verstehen. So wird Ilja durch das Telefon zu einem anderen Mann, und der Getötete bekommt eine flüchtige und illusionäre Verlängerung seines Lebens, das allzu plötzlich enden musste. Ein Held wird ein anderer, und sie verschmelzen miteinander. Und ob einer der beiden es wirklich verdient, als Held bezeichnet zu werden – das müssen die Leser entscheiden.